Gastbeitrag Jürgen Kraft: Tourismusflaute hausgemacht

Der Autor Jürgen Kraft, ehem. Gemeindevertreter in Ahlbeck, legt Wert auf die Feststellung, dass er parteiunabhängig ist. Mit diesem Beitrag soll eine schon längst überfällige Diskussion belebt werden.

 strand_morgens

Zur Zeit liest man in allen Zeitungen von einem stagnierenden Tourismus und einer immer geringeren Auslastung von Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen sowie einer kürzeren Verweildauer von Gästen.

Nun sucht man krampfhaft nach Gründen für diese Flaute. Nach meiner Einschätzung sind diese zum größtenteil hausgemacht.

 

 

Hier ein paar wichtige Punkte:

Seit Jahren werden in den Kaiserbädern historisch gewachsene Strukturen durch einen nicht aufzuhaltenden Bauwahn zerstört.
Gäste, welche kurz nach der Wende die Kaiserbäder besuchten, warnten uns davor, in Bezug auf Bautätigkeiten nicht dieselben Fehler wie in den alten Bundesländern zu machen. Gerade die wunderschöne Bäderarchitektur in Verbindung mit großzügig gestalteten Parkanlagen waren nach der Wende ein Alleinstellungsmerkmal für die Seebäder.
Was wurde daraus?
Wir brauchen uns bloß die Maxim-Gorki-Straße anzuschauen…
Noch heute hört der Bauwahn nicht auf. Jede Lücke wird zugebaut. Sogar Vorgärten müssen dran glauben. Wo sind die Tourismus-Experten, welche auf der einen Seite mit der Bäderarchitektur massive Werbung betreiben, aber anderseits nichts gegen die Verschandelung und den Abriss historischer Bauten unternehmen? Ist das Kind erst mal in den Brunnen gefallen, kann man es schwer wieder rausholen.

Wenn dann gebaut werden darf, ist die Art und Weise des Bauens ein Trauerspiel.
Der Kunsthistoriker Nikolaus Pevsner hat einmal Architektur definiert: „Ein Fahrradschuppen ist ein Gebäude, die Kathedrale von Lincoln ist ein Stück Architektur“.
In unseren Seebädern stehen fast nur „Fahrradschuppen“…
Ich denke mir, wenn in historischen Bereichen wie der Promenade gebaut werden darf, dann sollten doch diese Gebäude mit einem ästhetischen Anspruch entworfen sein. Wenn man manche Gebäude so anschaut, denkt man sich, der Architekt hat das Semester Architektur in seinem Studium verschlafen und der Bauherr ist von Blindheit geschlagen.
Aber da wird es andere Gründe geben, warum kaum hochwertig gebaut wird. Das wird wohl etwas mit den Gewinn-Prognosen zu tun haben!

 

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 Unsere Zukunft? (Strandleben bei Leba / Polen)

 

Mitte der 90iger Jahre sprachen mal die Politiker vom sanftem Tourismus.

Was geblieben ist, ist ein kaum beherrschbarer Massentourismus. Zwei Wochen schlechtes Wetter und das Chaos ist perfekt.

Jahrelang hat man die Bettenzahl in die Höhe getrieben: Zuwachs ohne Ende…

Die Infrastruktur ist aber nicht gefolgt: Staus ohne Ende, wenig Freizeitmöglichkeiten bei schlechtem Wetter und immer mehr unzufriedene Gäste.
Wir schneiden uns damit selber ins Fleisch.

Es kann nur heißen „mehr Qualität statt Quantität“.
Wie sollen wir aber Qualität bringen, wenn viele Arbeitskräfte abwandern, weil sie in den alten Bundesländern bessere Perspektiven für sich sehen. Wo ist guter und bezahlbarer Wohnraum für Arbeitnehmer und Lehrlinge?

 

So gibt es noch ein Menge anderer Dinge, die man ansprechen könnte. Zum Schluß noch einige kleinere Übel:

  • Gestaltung der Ortseingänge der Kaiserbäder
    Darüber wird schon jahrelang diskutiert
  • Gehwege teilweise sehr schlecht
  • durch die massive Versiegelung von Flächen kann das Regenwasser nicht ablaufen
  • Sauberkeit im Ort,

 

Wenn man so verfolgt, was in den politischen Gremien der Gemeinde abläuft, stärkt das bestimmt nicht das Vertrauen in die Ortspolitik. Man sollte hier wieder zu einer kompetenten, sachlichen Politik zurück finden und seine Kraft wieder zum Wohl der Wähler und Bürger und für unsere Gäste einsetzen.

 

Jürgen Kraft, Ahlbeck

2 Gedanken zu “Gastbeitrag Jürgen Kraft: Tourismusflaute hausgemacht

  1. Klaus Reinke

    Ich habe Herrn Kraft heuter angerufen, und ihm für diesen – seinen – Artikel gedankt, Er hat doch leider sooo recht!

  2. Sehr geehrter Herr Kraft,

    mit Ihrem Artikel sprechen Sie mir aus der Seele. Seit meiner Geburt lebe ich nun 30 Jahre mit einigen Unterbrechungen auf unserer schönen Insel und begleite und spüre seit 20 Jahren durch unsere Strandkorbvermietung in Bansin die touristen Geschicke unserer Gemeinde.

    ICH BEKOMME ANGST. Die gemachten Fehler seit der Wende bekommen wir in den letzten 10 Jahren deutlicher zu spüren als uns lieb ist – eine Entwicklung, die so fürchte ich, längst nicht abgeschlossen ist.

    Selbst unser absolutes Aushängeschild – unser traumhafter Strand – gerät zunehmend ins Wanken.

    Ein paar Beispiele: (ich kann leider nur für Bansin sprechen)

    1. Thema Rettungsschwimmer: Es ist eine Schande -aus welchen Gründen auch immer- dass die Türme nicht besetzt sind. Die Jahre zuvor – nichts gegen unsere polnischen Mitbürger – sind diese wenigstens noch eben diesen betrieben worden. Nur äußerst bescheiden, wenn diese in einem Notfall kaum deutsch können. –> das stärkt ungemein das Vertrauen in die Sicherheit besonders bei Familien mit Kleinkindern und körperlich schwachen Rentnern. Wer war doch noch gleich unsere Zielgruppe?

    2. Strandreinigung: Es ist schon erstaunlich, wie lange sich Müll von Silvester am Strand unbemerkt aufhalten kann. Richtig fies wirds, wenn die ersten Körbe hingestellt werden und nach jedem Wind (kann ja schon mal hier vorkommen) unangenehme Sachen wie abgebrochene Flaschenhälse, Raketenköpfe, oder Sektgläser zum Vorschein kommen. Ganz zu schweigen vom Treibgut, welches die Ostsee bei STurm noch so mitbringt.
    Außerdem gehören an JEDEM Strandaufgang dem Urlauberandrang entsprechend viele Abfallbehälter und -tonnen.Mit die eindrucksvollsten Bilder sind m.E. die Sonnenaufgänge über der Ostsee, wenn man erstmal unfallfrei an überfüllten Mülltonnen vorbeigekommen ist.

    3. Behindertengerechte Strandaufgänge und Toiletten.: Welche Planer waren hier am Werk? Hauptaufgang Bansin: Die Treppe zum Strand und die Toiletten – wie gemacht für alte Leute oder Behinderte – meinen Glückwunsch! Nun ja – es soll ja auch behindertengerechte Strandabgänge geben – gott sei dank befinden sich die nächsten Toiletten dann 100 m weiter.

    4. Trennung Hundestrand: Ja die armen Hundebesitzer. Eine Frechheit, was die sich immer erlauben. Doch Vorsicht, wer voreilig den Henker spielt. Geschätzte 90 % wissen gar nicht, dass sie unrecht handeln. Die Beschilderung ist unter aller Kanone. Sie gehen sich Hunde- und NIchthundebesitzer ständig an die Gurgel, ohne das dies auch nur ansatzweise nötig wäre.

    5. Kurkarten: Keine Ahnung wie es um die Finanzen unserer Gemeinde aussieht -aber vom lieben Geld kann man ja bekanntlich nie genug haben. Es soll tatsächlich Tagesgäste geben, die SOWAS gerne freiwillig zahlen würden. Bloß sie können es nicht, weil unsere Kurkartenautomaten leider das Kleingeld-kontingent der meisten Urlauber erbarmungslos auffrist. Die in der Nähe befindlichen Unternehmen können diesen Bedarf leider auch nicht abfedern.
    Zu denen die nicht willens sind die Kurtaxe zu entrichten, sei gesagt: Haltet euch zu bestimmten Zeiten vom Strand fern, dann klappt das ganz gut 🙂

    Alles kleine Dinge, welche das Gesamtpaket STRAND zunehmend unattrakter macht.

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