Das ist ja schließlich eine CDU-Veranstaltung hier

Sommerwetter, Heringsdorf – die Kanzlerin, der sonst nichts so fremd ist wie aktives Handeln, wird in Heringsdorf zur Wahlveranstaltung der CDU mit dem Hubschrauber eingeflogen. Vorab spielt eine Band. Viele Leute sind auf der Promenade unterwegs. CDU-Stände, „Team für Deutschland“ – Wimpelchen und schwarze Männer mit Pistolenhalfter und Knopf im Ohr prägen das Bild.

Gegen 17.00 Uhr soll Angela Merkel sprechen. Örtliche CDU-Prominenz vom Gemeinderatsmitglied Joachim Saupe über den CDU-Kreistagsbullen Karl-Heinz Schröder (seit 1982 in der Ostblock-CDU) bis zum CDU-Bundestagsmitglied Matthias Lietz fühlt sich im abgesperrten „inner circle“ wichtig und toll.

merkelator

Die CDU als demokratische Inszenierung. Bereitschaftspolizei sperrt die Zugänge mit Laufgittern ab und guckt genau, wer dort kommt. Grundsätzlich in Ordnung. Natürlich muss für Sicherheit gesorgt werden, wenn die (noch) amtierende Bundeskanzlerin Hof hält.


Piratenshirt und sichtbare Piratenfahne genügten, um die Staatsmacht auf den Plan zu rufen. Ich werde mit meinem 11jährigen Sohn aufgehalten und nach Diskussion des Platzes verwiesen. Dabei wird ein Bereich umrissen, der ca 600m in der Länge und ca. 300 m in der Breite misst und den gesamten Promenadenbereich incl. 2.Reihe und Fahrradweg umfasst.
Begründung: „Das ist ja schließlich eine CDU-Wahlveranstaltung hier.“ Leute bleiben belustigt stehen, können es nicht glauben – „irgendwas wird der schon gemacht haben“. Ein Mann um die 50 – eiligen Schrittes Richtung CDUBlock Ansammlung – kann sich ein „Richtig so! Alle wegfangen!“ nicht verkneifen. Meine Nachfrage „Und gleich ins Lager?“ bleibt ungehört.

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Im eigenen Garten ist es (noch) statthaft…

Mittlerweile ist der Vorgesetzte der Bereitschaftspolizei dazugekommen und wird förmlich. Er bezieht sich auf das SOG (Sicherheits- und Ordnungsgesetz) Mecklenburg-Vorpommern, wiederholt den Platzverweis und begründet dies mit meiner potentiellen Eigenschaft als Störer der Veranstaltung. Achtung: es geht um eine Fahne und ein mitgebrachtes Transparent. Das reicht dem Polizeioffizier, um mich und meinen 11jährigen Sohn zur konkreten Gefahr zu erklären und Personalien aufzunehmen.

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Herr Jahnke (re. im Bild) von der Bereitschaftspolizei in Aktion

Als ich am Rande der demokratiefreien Zone mein Transparent und meine Fahne aufstelle und mit Leuten ins Gespräch komme, bin ich wiederum von Polizei umringt. Nach Diskussion werde ich dann etwa 400m von der aktuellen Herrscherin entfernt und nicht von ihr wahrnehmbar in Ruhe gelassen.

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Letztlich kam ich dort mit vielen Leuten ins Gespräch. Ein älterer Herr stellte sogar die Polizisten empört zur Rede.

Mein 11jähriger Sohn hatte eine praktische Lehrstunde in Sachen Postdemokratie. Eine Anzeige wegen Nötigung gegen den Polizeibeamten, der das Mitführen einer Fahne als konkrete Gefahrenlage interpretiert und damit eine rechtswidrige Polizeimaßnahme begründete, ist in Vorbereitung.

Den Vogel schoss dann nach der Veranstaltung eine Frau im Gefolge von Karl-Heinz Schröder (CDU) ab. „Geh doch nach Kuba!“ intonierte sie lautstark und meinte es wohl auch so. Erschreckend, wie derartige antidemokratische Haltungen mittlerweile gang und gäbe sind und wie arrogant und von ihrer eigenen vermeintlichen Bedeutung verblendet sich Leute in der Öffentlichkeit benehmen.
Ja – das ist übrigens der gleiche Schröder, der in einigen Zeitungsartikeln im Zusammenhang mit dem Bau eines Hauses im Naturschutzgebiet für unseren CDU-Innenminister Lorenz Caffier (auch CDU-Blockflöte seit 1979, ehem. LPG-Vorsitzender in Neubrandenburg) auftauchte.

Man kennt sich halt und antidemokratische Einstellungen haben damals die Karriere gefördert und verankern auch heute in „besseren“ Kreisen.


Ein Bild aus dem vorigen Jahr – aber bei Schröder muss man in Jahrhunderten zählen…Treffender als mit Pickelhaube kann man seine politische Einstellung nicht illustrieren.

 

Update (25.07.2013):
zum gleichen Thema:

25 Gedanken zu “Das ist ja schließlich eine CDU-Veranstaltung hier

  1. […] deutschland in der postdemokratie: Das ist ja schließlich eine CDU-Veranstaltung hier […]

  2. Hannes Albers

    Lieber Arne R –

    Kompliment … für die Creativität beim Merkel-Besuch. Das Verhalten des sogenannten CDU-Sicherheitsdienstes hat Ihnen doch eine wunderbare Plattform geboten. Wenn die CDU nicht so borniert gewesen wäre, wäre ihr Auftritt sang-und klanglos über die Bühne gegangen. Punktsieg für AR,
    tapferer Pirat!

    MfG aus Benz,
    Hannes Albers,
    Galerist
    Redakteur

    • „CDU-Sicherheitsdienst“? Naja – so hätte ich die Bereitschaftspolizei MV zwar nicht genannt, aber es kommt wohl darauf raus…

  3. Finde es auch etwas übertrieben. Dennoch muss man ja auch nicht unbedingt mit T-Shirt und Fahne auf eine Wahlveranstaltung einer anderen Partei gehen, ein gewisser Wille zur Provokation kann hier nicht abgesprochen werden. Da ist es dann nach meiner Ansicht auch eher unverantwortlich, den 11-Jährigen Sohn, der in dem Beitrag stehts als Stilmittel zur Verharmlosung der eigenen Beweggründe aufgeführt wird, mitzunehmen. Da es sich nun mal um unterschiedliche politische Lager handelt muss auch immer damit gerechnet werden, dass Idioten zumindest verbal aus der Reihe tanzen. Dies wäre bei einer Veranstaltung der Piraten auch nicht anders, ebenso wie in jeder anderen Partei.
    Lächerlich finde ich die Anzeige wegen Nötigung, als ob es nichts wichtigeres gäbe…

    • Nur zur Klarstellung: es war keine CDU-Wahlveranstaltung, sondern offiziell ein Besuch der Kanzlerin. Ich habe sie zwar nicht gewählt (ist wohl kein Geheimnis), aber sie regiert (leider) auch mich. Was daran unverantwortlich sein soll, mit meinem Sohn auf eine öffentliche Veranstaltung am hellichten Tage im öffentlichen Raum zu gehen, erschließt sich mir nicht. Mit T-Shirt der „Jungen Union“ hätte es kein Problem gegeben und es waren weit jüngere Kinder vor Ort. Im übrigen hat auch ein 11jähriger durchaus eine Meinung und ist mehr als ein „Stilmittel“. Spricht eher gegen dein Bild von jungen Menschen, wenn sie als Staffage abgetan werden. Ich erwarte von der Polizei in einem Rechtsstaat, dass nicht nur vorgefilterte Meinungsäußerungen – und ein Plakat ist auch eine solche – geschützt werden. Der nächste Eskalationsschritt ist dann, an der Eingangskontrolle zu fragen, ob die Absicht zum Klatschen oder Pfeifen besteht.
      Im übrigen hatte ich keines von beidem vor.
      Zur Anzeige: es gibt immer Wichtigeres. Ich würde gern einen Lerneffekt beim betroffenen Polizisten erreichen, auch wenn tatsächlich rechtlich nicht viel rumkommen wird. Er ist ja kein Feind, lag aber kräftig daneben.

      • Hey – was immer du denkst, spielt sich in deinem Kopf ab, in den niemand reingucken kann.
        Wenn du mit T-Shirt und Fähnchen einer (eher erfolglosen) Newcomerpartei auftauchst, ist der Gedanke der Sicherheitsbeamten, dass es sich um einen dummen Provokateur handeln könnte, tatsächlich richtig und lediglich der Beleg dafür, dass dieser Mann seinen Job verstanden hat.
        Es geht hier um Sicherheitsbeauftragte und potentielle (!) Sicherheitsrisiken.
        Mit irgendeinem Shirt und irgendeinem Wimpel bei dem Besuch des Regierungschefs aufzutauchen und zu erwarten, dass man da unbehelligt rumspazieren kann, ist einfach nur naiv in meinen Augen.

        Dass du die völlig richtige Reaktion des Sicherheitspersonals auch noch als falsch und „CDU-Stil“ und undemokratisch hinstellst, ist mehr als lächerlich.

        Werd erwachsen!

        • „Mit irgendeinem Shirt und irgendeinem Wimpel bei dem Besuch des Regierungschefs aufzutauchen und zu erwarten, dass man da unbehelligt rumspazieren kann, ist einfach nur naiv in meinen Augen.“

          Ja, in einem Staat, in dem derartig obrigkeitshörige Untertanen wie Sie die Mehrheit stellen, ist es in der Tat naiv zu glauben, es gäbe so etwas wie Meinungsfreiheit nicht nur auf dem Papier. Denn dazu müsste die Mehrheit hierzulande aus mündigen Bürgern bestehen, die überhaupt imstande sind, sich eine eigene Meinung zu bilden und notfalls auch gegen den Mainstream dafür einzustehen. Arne hier gehört offenbar zu den Wenigen, die das können und ist seinem Sohn damit ein gutes Vorbild. Meinen Respekt hat er dafür.

  4. ein weiteres beispiel aus dem kapitel „wie man die piraten-partei noch mehr diskreditieren kann“
    *kopfschüttel*

  5. sowas soll wohl vermieden werden 😉

  6. Hélder Aguiar

    Auf den Ankündigungsplakaten wurde doch mit der „Kanzlerin“ geworben… Auch wenn die CDU das gerne hätte, aber Kanzler ist nicht gleich CDU…

  7. Herzlichen Glückwunsch Arne,
    der Auftritt ist zumindest jetzt der notwendige Anlass um deine Mailkonten-Passwörter und ähnliches durch die Volkspolizei ermitteln zu lassen. Für diese Fälle wurde schließlich die Gesetzeslage durch unsere Landesregierung geändert und der Richtervorbehalt abgeschafft.

  8. Hannes Albers

    Ich finde auch, dass die Kanzlerin schon ertragen muss, dass nicht ALLE SIE mögen.
    Ein TShirt mit einer kritischen Piraten-Parole, die durch das Grundgesetz (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit)
    voll abgesichert ist, muss auch bei Kaiserin Angela erlaubt sein. Ich finde die Fragestellung
    auf dem TShirt richtig – auch die Antwort. Sie trifft glasklar den Punkt..

    Warum sollte ausgerechnet Arne seinen politikinteressierten elfjährigen Sohn zu Hause lassen, wenn die Kanzlerin (flüchtig) auf die Insel kommt. Auch andere Eltern haben ihre Kinder mitgeschleppt. CDU-Anhänger beispielsweise. Sind auch Sie verantwortungslos? Natürlich nicht – sie sind natürlich staatstragend…. Über die seelischen Qualen, die diese CDU-Kinder erleiden könnten, spricht natürlich Niemand!

    Damit wir klar sehen: Für die Interessen dieser Insel hat sich Angela bei ihrem flüchtlichen Helikopter-Besuch nicht interessiert: Weder für das Karnin-Projekt, noch für die Verkehrsprobleme (keine Kreisel,
    Dauerstau im Sommer) noch für das polnisch-deutsche Verhältnis. Schön, dass die Gehuldigte schnell
    wieder davongeschwebt ist.

    Hannes Albers,
    Benz,
    Galerist,
    Redakteur

  9. Erschreckend, da kam wohl der Hinweis von oben aus der Partei an die Polizeikräfte potentielle Störer fernzuhalten, auch wenn rechtswidrig. Ihre Klage wird dennoch auf wenig Resonanz stossen und im Bürokratenjungel untergehen. Was bleibt ist weiter Flagge zu zeigen und sich von der Arroganz Bildungsferner Mitbürger nicht einschüchtern zu lassen. Die Demokratie kann auch in den Institutionen verteidigt werden, so wie die 68er das mal vorhatten. Nicht aufgeben!

  10. Angela von Schlichting

    Bitte Ihr Lieben, so unfassbar und erschreckend das ist: lernt daraus!!! Es sollen Bilder wie in Aschaffenburg vermieden werden, denn die haben überzeugungskraft und eine KETTENWIRKUNG!! Also BITTE: UNAUFÄLLIG zu solchen Veranstaltungen gehen, KONSERVATIV AUSSEHEN und dann KRACH MACHEN und RUFEN was das Zeug hält, um die schönen Bilder zu verhindern!!!!!! Und das bei JEDER CDU VERANSTALTUNG!!!!!!

    • Naja. Mag eine Möglichkeit sein. Ich will aber schon offen auftreten und die Piratenfahne nicht erst in einen schwarzen Lappen wickeln müssen.

  11. Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht (gegen den Platzverweis etc.) erheben!!!!

    • Danke für den Tip. Anzeige ist wahrscheinlich auch Quatsch, weil Vorsatz wohl kaum belegbar sein dürfte (und wahrscheinlich auch nicht vorlag, um mal gutgläubig zu bleiben).

  12. Es ist erschreckend wie spießig, dumm und arrogant viele Mitmenschen sind. Sie sehen nicht, was die Politiker sich erlauben, und wie sich die Polizei oft verhält. Das ist oftmals am Rande der Legalität oder sogar Anti-Demokratisch. „Alles zum Wohle des Machterhalts!!!
    Sind wir schon so weit, dass unsere Demokratie keine Kritiker und Nicht CDU-Anhänger verkraftet.

  13. unfassbar, wie manche es für gerechtfertigt halten, dass wegen eines T-Shirts ein Platzverweis ausgesprochen wird

    Aber so kennt man die Olle ja, Probleme schiebt sie einfach von sich, Entscheidungen werden mit „alternativlos“ begründet. Könnte kotzen, wenn ich an 4 weitere Jahre mit ihr und ihrem hirnlosen Gefolge denke. Hättet Ihr, liebe Piraten, euch mal nicht so saudumm angestellt 🙁

    • Weil eine gewisse Bevölkerungsschicht in Deutschland keine Veränderung will. Wegen diesen Leuten sind wir im Ausland auch so „beliebt“, in Österreich gibt es sogar einen Spitznamen für solche Deutsche.

  14. Karlheinz Schultz

    Ja sind wir schon wieder mal so weit? Wie war das noch mit der Sicherheit auf den Campingplätzen? Wenn wir alle nach Cuba auswandern, gibts hier für den schwarzen Sumpf kein Wässerchen mehr. Und die Mails werden ja trotzdem gelesen, weil sie doch beim Nachbarn liegen. Das ist doch alles doof. 🙁

  15. […] einsame Pirat hat hier seine Sicht der Dinge beschrieben und bei Youtube gibt es ein Video vom Besuch der […]

  16. So zeigt sich, in Verbindung mit zahllosen anderen Ereignissen, was von den Bürgerrechten in Deutschland übrig geblieben ist.

  17. Das ist ja schließlich eine CDU-Veranstaltung hier » Piratenpartei Insel Usedom

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