Petition an den Deutschen Bundestag – §166 StGB abschaffen

adler-439134_640Ich weiß, es ist nicht der erste Anlauf. Mir ist auch bewusst, dass sich schon viele Leute, die rechtlich bewanderter als ich sind, an diesem Vorhaben versucht haben. Ich möchte es trotzdem versuchen.

Ich habe heute eine Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht, auch wenn ich diese Form der „Bittschrift“ eigentlich nicht so zeitgemäß finde. Eine andere Möglichkeit bleibt mir als Bürger jedoch kaum.

Mir war auch nicht bewusst, wie wenig Raum man für eine Begründung hat. Ich konnte nur einen Bruchteil des vorbereiteten Textes in die vorgesehenen Formularfelder eintragen und werde den Text erst vervollständigen können, wenn die Petition veröffentlicht ist. Das finde ich unbefriedigend, ist aber momentan nicht zu ändern.

Sobald die Veröffentlichung erfolgt ist, informiere ich darüber und bitte um Unterstützung.

Hier der vollständige Text:

 


Petition an den Deutschen Bundestag

Keine Macht den Dogmen – „Gotteslästerungsparagraphen“ §166 Strafgesetzbuch endlich abschaffen!


 

Der Gesetzgeber soll sich zur Forderung der ersatzlosen Streichung des §166 StGB positionieren.
Ziel dieser Petition ist die ersatzlose Streichung.


 

§ 166 Strafgesetzbuch
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.


 

Bis zur Strafrechtsreform 1969 ging man davon aus, dass die damals noch offiziell so bezeichnete “Gotteslästung” die Person oder die Ehre Gottes schütze. Seit 1969 setzt die Erfüllung des Tatbestandes gem. §166 StGB eine Eignung zur Gefährdung des “öffentlichen Friedens” voraus.
Was auf den ersten Blick wie eine Eingrenzung aussieht, ist bei näherer Betrachtung jedoch ein Zirkelschluss, der einer Beurteilung, ob strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt, ein sehr breites subjektives Bewertungsfeld öffnet.
Strafrecht muss für den Bürger vorhersehbar sein. Man muss die Chance haben, sein Verhalten darauf einstellen zu können und der Staat sollte nur mit den Mitteln des Strafrechtes eingreifen dürfen, wenn allgemeine soziale Normen, ohne die eine Gesellschaft nicht existieren kann, verletzt werden und er auf ein positives Verhalten hinwirken muss.

Tatsächlich gibt es eine Fülle von richterlichen Entscheidungen, die in ihrer Bandbreite keineswegs eine einheitliche und nachvollziehbare Bewertung (unter Berücksichtigung der durchaus unterschiedlichen Fallgestaltungen und des richterlichen Ermessens, das notwendig ist) erkennen lassen.

Vielmehr lassen die schwer miteinander in Einklang zu bringenden Entscheidungen die Pluralität der dazu vertretenen persönlichen Haltungen, die natürlich mit der persönlichen Berührtheit der damit befassten Richterschaft verbunden sind, erkennen.

  • Erfüllen Flugblätter, auf denen ein zur Mausefalle umfunktioniertes Jesuskreuz abgebildet ist, den Straftatbestand des §166 StGB?

Laut Auffassung des LG Bochums aus dem Jahr 1988 ist diese Meinungsäußerung zur Funktion des christlichen Glaubens hinzunehmen und für den öffentlichen Frieden akzeptabel.

  • Ist ein Anstecker mit der Aufschrift “Lieber eine befleckte Verhütung als eine unbefleckte Empfängnis” eine nicht zu beanstandende Meinungsäußerung?

Das LG Göttingen verneint dies 1986 und stellt eine Strafbarkeit fest.

  • Darf man die katholische Kirche ungestraft pauschal öffentlich als “Kinderfickersekte” bezeichnen?

Das AG Berlin lehnt 2012 die Eröffnung eines Hauptverfahrens mangels strafbarer Handlung ab, da dieser Begriff nicht geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

  • Ist die Verbreitung einer Karikatur im Internet, auf der ein gekreuzigtes Schwein dargestellt wird, strafbar?

Das OLG Nürnberg bejaht dies 1998 und sieht darin eine Beschimpfung, die den öffentlichen Frieden stört.

Der Ausgang solcher Verfahren ist regelmäßig nicht vorhersehbar. Das gilt zwar für viele Gerichtsprozesse, allerdings hat das in der Regel die Ursache bei der Ermittlung und Beweisbarkeit der jeweiligen konkreten Tatbestände. Diese standen bei den angeführten Prozessen jedoch nicht in Zweifel.

Die Beurteilung, ob eine Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, kann immer wie gewünscht (ob positiv oder negativ) entschieden werden. Mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht hat eine derartige Unwägbarkeit wenig zu tun.

Eine weitere Ebene liegt in der wohl gut gemeinten Absicht einer Gefahrenabwehr, um den Frieden in einer Gesellschaft zu erhalten.

Wann ist der öffentliche Friede in Gefahr?

Hier wird eine Folgenabschätzung der beanstandeten Äußerung / Tat erforderlich sein.

Der öffentliche Friede ist in demzufolge in Gefahr, wenn sich eine Religionsgruppe oder eine weltanschauliche Gruppe dermaßen beleidigt fühlt, dass gewalttätige Reaktionen aufgehetzter Personen droht.

Mit dieser Regelung werden dem Meinungsäußerer die (rechtswidrigen) Taten der sich beleidigt Fühlenden zugerechnet.

Eine duldsame Gruppe von Gläubigen kann in dieser Logik beleidigt werden, während Anhänger einer Glaubensrichtung, die mit Gewalt und öffentlichem Aufruhr reagieren, durch ihre rechtswidrigen Handlungen einen Schutz des Gesetzgebers einfordern.

Damit erfolgt eine Umkehr unseres grundlegenden Rechtsprinzips.

Der Staat verfolgt die Opfer von Gewaltandrohungen und schützt diejenigen, von denen diese Drohungen oder Straftaten gegen das Lerben und die köprerliche Unversehrtheit ausgehen.

Das stellt das Strafrecht auf den Kopf und kann nicht hingenommen werden.

Es gibt Strafrechtsnormen,

  • die die Störung der ungehinderten Religionsausübung (§167 StGB),
  • die individuelle Beleidigung in unterschiedlichen Formen (§185-200 StGB),
  • die falsche Verdächtigung (§164-165 StGB),
  • den Aufruf zu Hass und Gewalt gegen Bevölkerungsgruppen oder
    das Beschimpfen oder böswillige Verächtlichmachen von Bevölkerungsgruppen, Teilen davon oder Einzelnen wegen Zugehörigkeit zu einer bezeichneten Gruppe (§130 StGB)

zu Recht unter Strafe stellen.

Einer gesonderten Strafrechtsnorm, die auf Empfindungen religiöser oder anderer weltanschaulicher Gruppen beruht und deren Reaktionen im öffentlichen Raum, bedarf es nicht.

In einer freiheitlichen Gesellschaft muss sich jeder, der seine eigene Freiheit wünscht, Meinungsäußerungen anderer Bevölkerungsgruppen oder Einzelner, die nicht nach den anderen Strafrechtsnormen strafbar ist, hinnehmen oder ignorieren.

Wenn wir mit Entsetzen wahrnehmen,

  • dass in Saudiarabien ein Blogger öffentlich ausgepeitscht wird, weil er den Islam beleidigt hat,
  • dass in Frankreich eine Redaktion sterben musste, weil sie einen bärtigen Turbanträger, den alle für den Propheten halten, auf die Schippe nahm,

dann sollten wir nicht nur die Wahl der Mittel, sondern auch die grundsätzliche Strafbarkeit solcher Meinungsäußerungen ablehnen.

“Ehre sei Gott in der Höhe” – in unserem irdischen Jammertal sollte das jeder selbst entscheiden dürfen.


 

Meine wichtigste Quelle: http://www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/2008/20084Steinke_S_451.pdf

Ein Gedanke zu “Petition an den Deutschen Bundestag – §166 StGB abschaffen

  1. Hallo,
    die Ausführungen und Argumentation kann ich nachvollziehen. Jedoch ist auch klar, dass Gesetzestexte die vielfältige Wirklichkeit nicht bis in alle Einzelheiten regeln kann, so dass es immer ein Ringen um die richtige Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe geben wird – nicht nur bei diesem Paragraphen.
    Die Problematik des Rechtsbegriffes „Störung des öffentlichen Friedens“ wäre nicht gelöst, da dieser Begriff ja auch im § 130 StGB verwendet wird.
    Allerdings erschließt sich mir der Sinn des § 166 StGB nicht, da § 130 umfänglicher formuliert ist und alle Tatbestände – auch auf auf das Verbreiten von Schriften – einschließt. Aber auch ich bin keine Jurist und kenne die Kommentare nicht ….

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